Therapeut sitzt am Schreibtisch, spricht mit einem Kollegen, scannt Unterlagen und arbeitet digital – Symbol für die neue digitale Abrechnung.

Die TI-Pflicht wird auf Oktober 2027 verschoben. Auf dem Papier klingt das nach Entspannung – endlich weniger Druck, endlich mehr Zeit. Viele Praxen atmen auf, manche lehnen sich erleichtert zurück. Und genau hier beginnt das Problem. Denn während die Politik auf die Bremse tritt, bewegt sich das restliche Gesundheitswesen längst weiter. Krankenkassen testen bereits voll digitale Abrechnungswege, die Praxen deutlich früher erreichen als jede TI-Pflicht. Einige Verfahren laufen schon, andere starten in Kürze. Und im Hintergrund entsteht ein Wandel, der nicht bis 2027 wartet.
Heißt: Die Verschiebung der TI vermittelt eine trügerische Ruhe. 2026 wird kein bequemes Übergangsjahr – sondern das entscheidende Jahr, in dem Praxen sich positionieren müssen. Warten oder starten. Verlieren oder gewinnen.

Warum die TI-Frist wirklich verschoben wurde – und was Verbände dazu sagen

Die offiziellen Gründe klingen technisch: unklare Prozesse, zu wenig Zeit, fehlende Verlässlichkeit. Viele Praxen kennen das. In der Realität steckt dahinter aber auch politischer Pragmatismus: Die Infrastruktur ist schlicht nicht so weit, wie sie sein müsste.

So sehen es die Verbände

Die berufspolitischen Organisationen der Heilmittelerbringer äußern sich deutlich:

  • Die Verschiebung nimmt Druck raus – zumindest oberflächlich.
  • Gleichzeitig verlängert sie die Unsicherheit.
  • Niemand glaubt ernsthaft, dass 2026 ein Jahr „ohne Digitalisierung“ wird.
  • Und alle warnen: Die Branche darf nicht wieder warten, bis es brennt.

Kurz: Entlastung und Frust liegen dicht beieinander.

So sehen es die Kassen

Während die Politik Pausen einlegt, treiben Krankenkassen längst eigene Initiativen voran. Ihre Ziele sind klar:

  • weniger Papier & Adminitration
  • weniger Postwege
  • weniger Fehler
  • digitale Daten statt unlesbarer Handschriften

Sie haben kein Interesse daran, bis 2027 auf die TI zu warten – nicht aus Bosheit, sondern aus Effizienz.

Die eigentliche Dynamik: Die Digitalisierung kommt von den Kassen, nicht von der Politik

Und genau deshalb irren sich alle Praxen, die glauben, sie hätten jetzt zwei Jahre Ruhe In Wirklichkeit passiert Folgendes:

  • Kassen wie die AOK PLUS, weitere AOKs und die Techniker Krankenkasse testen voll digitale Übermittlungsprozesse, die ohne TI funktionieren.
  • Diese Verfahren haben nichts mit eVO oder Konnektoren zu tun.
  • Sie basieren auf digitalisierten Verordnungen, digitaler Leistungsbestätigung und digitaler Signatur.
  • Sie werden früher Alltag, als die Politik „TI-Pflicht“ sagen kann.

Die Digitalisierung verschiebt sich also nicht. Sie verlagert sich. Und zwar dorthin, wo es schneller geht: direkt in die Abrechnung.

Wie der neue digitale Abrechnungsprozess funktioniert – praxisnah erklärt

Hier wird es greifbar. Denn dieser Teil ist der Gamechanger:

  • Die Verordnung bleibt Papier – wird aber komplett digitalisiert
    Die HVO13 wird einmal vollständig eingescannt. Das war’s.
  • Die Rückseite entsteht automatisch in SmartVO
    Was früher handschriftlich erfolgte, übernimmt die Software:
    Patient unterschreibt jede Behandlung digital
    Stempel, Praxisdaten, Datum → werden automatisch eingefügt
    keine vergessenen Unterschriften
    keine fehlenden Angaben

    Der gesamte Rückseitendruck wird digital erzeugt.

  • Fehler werden vorher abgefangen
    Validierung prüft:
    Zeiträume
    Einträge
    Vollständigkeit
    Plausibilität

    Die Folge: weniger Rückläufer, weniger Ärger, weniger Zeitverlust.

  • Die Übertragung erfolgt voll didital
    Die „digitale VO“ wird:
    verschlüsselt
    signiert
    sicher und nachvollziehbar gesendet

    Entweder direkt an teilnehmende Krankenkassen oder – optional – an das Henara Abrechnungszentrum.

  • Aufbewahrung nur noch 2–3 Monate
    Danach ist der Prozess abgeschlossen.
  • Das Geld kommt schneller
    Digitale Übermittlung bedeutet sofort. Und das geht schneller als jeder Briefkasten.

Warum 2026 kein Pausenjahr wird – sondern ein Vorsprungjahr

Viele denken: „Wenn die Politik uns schont, dann warten wir einfach, bis die eVO fertig ist.“

Das wäre ein riesiger Fehler. Aus drei Gründen:

1. Die Kassen digitalisieren jetzt – nicht 2027

Die Verfahren starten teilweise 2026. Wer dann noch analog arbeitet, hat ein Problem.

2. Papier verschwindet schneller, als es die Politik plant

Nicht aufgrund von Gesetzen. Sondern wegen der Praxisrealität.

3. Praxen brauchen Zeit für den Umstieg

Und die hat man nur jetzt.

Und besonders wichtig: Wer noch analog arbeitet, muss 2026 nutzen

Dieser Punkt betrifft noch sehr viele Praxen: Die TI wurde verschoben. Die Digitalisierung nicht. Wer jetzt nicht anfängt, verliert später wertvolle Zeit.

Was Praxen jetzt tun sollten – Schritt für Schritt:

  • Praxissoftware einführen
  • digitale Dokumentation aufbauen & Arbeitsprozesse vereinfachen
  • Personal langsam an neue Abläufe heranführen
  • digitale Leistungsbestätigung etablieren

Die TI-Pflicht mag auf 2027 verschoben sein. Die Digitalisierung nicht.

Sie kommt trotzdem – nur früher, schneller und aus einer anderen Richtung, als viele denken. Krankenkassen, Abrechnungszentren, Softwarepartner: Alle bewegen sich. Nur Praxen dürfen jetzt nicht stehen bleiben. 2026 wird das Jahr, in dem Vorsprung entsteht. Nicht durch Warten. Sondern durch Handeln. Wer vorbereitet ist, gewinnt Ruhe. Wer wartet, verliert sie.